Die Klasse 11b des Oberstufenzentrums Logistik, Tourismus und Steuern führte im September 2019 einen dreitägigen Workshop unter dem Titel "Mein Blick auf den Mauerfall - Fotografien von 1989 und heute" durch. Die 24 SchülerInnen und ihre Lehrerin Ulrike Ruth Lange trafen die ZeitzeugInnen Albrecht Roos und Monika Waack und interviewten sie zu ihren Erlebnissen 1989/90. Dort, wo die beiden früher fotografierten, setzten die Jugendlichen unter der Anleitung des Fotografen Bert Konopatzky die wenigen Spuren der Mauer in Szene. Daraus entstand eine Online-Ausstellung.
Das Projekt der Stiftung Berliner Mauer wurde im Netzwerk Eiserner Vorhang durch Förderung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur realisiert. Am 15.11.2019 präsentieren SchülerInnen aller sechs Teilprojekte ihre Ergebnisse im Schloss Cecilienhof Potsdam.
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Projektverlauf
Wir haben uns am 10.09.2019 bei der Stiftung Berliner Mauer in der Bernauer Straße getroffen. In Gruppenarbeit haben wir an verschiedenen Stationen gearbeitet und inhaltlich mehr über die Berliner Mauer gelernt. Daraufhin haben wir uns mit Methoden für die Interviewführung mit ZeitzeugInnen auseinandergesetzt.
Im Anschluss sind wir nach Lichtenrade zum Berliner Mauerweg gefahren und haben nach Spuren und Überresten aus der DDR-Zeit geschaut.
Am zweiten Projekttag haben wir uns in zwei Gruppen aufgeteilt und uns mit den ZeitzeugInnen Frau Waack und Herrn Roos getroffen. Im Mittelpunkt unserer Interviews mit ihnen standen die Flucht aus der ehemaligen DDR (1956 und 1961) und die Gefühle und Erlebnisse kurz nach dem Mauerfall.
Frau Waack traf uns an ihrem ehemaligen Schulweg zwischen Lichtenrade und Waldblick-Mahlow. Bei einem sich anschließenden Spaziergang zeigte sie uns ihr Elternhaus und die Gegend, in der sie als Kind vor der Flucht gespielt hatte. Die Familie flüchtete 1956 nach Lichtenrade.
Herr Roos erzählte von den Gefahren während der Flucht und dem großen Glück, es geschafft zu haben: Er war als Student dazu verpflichtet worden, beim Ausbau der Grenze nach Spandau mitzuwirken. Das nutzte er im September 1961 zur Flucht.
Frau Waack und Herr Roos haben beide von der unendlichen Freude über den Mauerfall erzählt: Zusammenführung der Familie, Rückerhalt des Familienbesitzes in Waldblick-Mahlow, Aufleben alter Freundschaften.
Nach den Interviews schrieben wir in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde erste Texte für das Projekt.
Am dritten Projekttag sind wir mit dem Fotografen Bert Konopatzky den Mauerstreifen südlich von Lichtenrade und Marienfelde entlanggelaufen. Dort haben wir mit unseren Smartphones Bilder von den alten Grenzanlagen gemacht. Wir durften auch ein paar Fotos mit einer analogen Fotokamera (Hasselblad) machen. Zudem haben wir spekuliert, was damals an den Orten geschehen ist. Daraufhin haben wir die besten Bilder für die Ausstellung rausgesucht und Bildunterschriften verfasst.
Monika Waack und ihre Fotografien
Monika Waack wurde 1943 in Berlin geboren und wuchs in Mahlow (Brandenburg) an der Grenze zu Lichtenrade auf. Ihr Vater war „Grenzgänger“ und arbeitete in West-Berlin. Im Februar 1956 entschied sich ihre Familie, nach West-Berlin zu fliehen. Allerdings war Monika Waack zu diesem Zeitpunkt schon bei ihrem Onkel in Lichterfelde. Von der Flucht wusste sie nichts. Deshalb hatte sie ihre Lieblingspuppe nicht dabei. Trotz Mauer fühlte sie sich nicht eingesperrt in West-Berlin, da sie regelmäßig in die DDR reisen konnte. Den Kontakt zu Freunden in Mahlow brach sie nie ab. Der Mauerfall stellte ein großes emotionales Erlebnis für sie dar, weil dadurch auch ihr Elternhaus in Mahlow in den Familienbesitz zurück gelangte.
Monika Waack fotografierte schon immer gerne. Die abgebildeten Fotos entstanden nach dem Mauerfall, vor allem 1990. Frau Waack war meistens in der Umgebung von Lichtenrade und Mahlow unterwegs. Dort hat sie ihr Leben verbracht und wohnt auch heute noch dort. Zudem fotografiert sie, um ihre Umgebung, die Veränderungen an der ehemaligen Grenze und die Ereignisse nach dem Mauerfall festzuhalten. Einige Fotos dokumentieren ihre Erkundungen mit ihrer Familie.
Albrecht Roos und seine Fotografien
Albrecht Roos wurde 1939 geboren und wuchs in der ehemaligen DDR auf. Er hat im jungen Alter angefangen zu studieren und wurde dann gezwungen in die Nationale Volksarmee (NVA) zu gehen. Er musste beim Grenzaufbau helfen und ist dabei geflohen. Am Tag seiner Flucht im September 1961 begegnete er zwei Männern, die ihm am Anfang nicht vertrauten. Sie wollten auch flüchten. Während der Flucht klappte eine Drahtrolle zusammen und erwischte Herrn Roos. Aber die zwei anderen Männer halfen ihm und flüchteten dann gemeinsam in den Westen. In Westdeutschland beendete er sein Ingenieursstudium. Herr Roos ist 1969 wieder nach West-Berlin gezogen und hat in Marienfelde direkt an der Mauer gewohnt. Heute lebt er als Rentner immer noch dort.
Herr Roos hat vor und nach dem Mauerfall viele Fotos von der Mauer gemacht. Auf manchen Bildern kann man neben dem Garten von Herrn Roos seinen Gartenzaun und dahinter die Mauer sehen. Heute ist in seinem Gartenzaun eine Tür. Der Grenzstreifen dahinter ist bepflanzt und wird von Fußgängern und Fahrradfahrern benutzt. Herr Roos hat vor dem Mauerfall von West nach Ost fotografiert, zum Beispiel einen Aussichtsturm, auf dem zwei Menschen stehen und mit einem Fernglas nach Osten schauen. Am 9. November 1989 war Herr Roos nicht in Berlin. Aber nach dem Mauerfall hat Herr Roos dann viele Bilder an der Mauer von Ost nach West gemacht, zum Beispiel an einem leerstehenden Wachturm und von einer friedlichen Demonstration gegen die Bebauung eines Naturschutzgebietes.
Projektpräsentation
Am 15. November 2019 kamen die Teilnehmenden der sechs Teilprojekte im Netzwerk Eiserner Vorhang ins Schloss Cecilienhof in Potsdam und präsentierten dort ihre Ergebnisse. Für das OSZ Lotis stellten Melissa M., Suna N. M. und Supriya K. die Online-Ausstellung „Mein Blick auf den Mauerfall – Fotografien von 1989 und heute“ vor.
Impressum
Das Projekt „Mein Blick auf den Mauerfall – Fotografien von 1989 und heute“ wurde im September 2019 im Rahmen des Netzwerks Eiserner Vorhang und mit finanzieller Unterstützung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur durchgeführt.
Die Erstellung der Ausstellung und Dokumentation samt Texte erfolgte durch die SchülerInnen der 11b des Oberstufenzentrums Logistik, Tourismus und Steuern in Berlin Tempelhof:
Abdul Gün, Adam J. C., Arian V., Aster B., Aylin M., Beyza Y., David Kaiser, Dragana Lakatus, ein Schüler, Gina H., Henrik, Janine M., Joel Kanagaratnam, Karim Kharmis, Mayia A., Melissa M., Milos M., Nour M., Oliver T., Peter L., Suna N. M., Supriya K., Umut K., V. Chernov und ihrer Lehrerin Ulrike Ruth Lange.
Die Projektleitung lag bei der Stiftung Berliner Mauer: Anja Bellmann, Franziska Gottschling und Birgit Wienand.
Wir danken den ZeitzeugInnen Monika Waack und Albrecht Roos für ihre Zeit und die Bereitstellung ihrer Fotografien. Dem Fotografen Bert Konopatzky danken wir für die Durchführung des Fotoworkshops und die Beratung. Außerdem danken wir Dr. Manfred Wichmann und Christian Bimm Coers für die Weiterentwicklung der Website für dieses Projekt.
Berlin, September & Oktober 2019.